Das (Deutsche) Leibeigenen-Opfer-Muster
Es scheint, als habe „der Deutsche“ (oder gar „der Westeuropäer?) ein Problem damit, für sich, für seine Familie und seine Art zu leben einzustehen, ohne dabei gleich ins Extreme zu fallen. Man bekommt so ein Wenig den Eindruck, der Deutsche lässt so lange alles mit sich machen, bis er entweder daran zugrunde geht oder so dermaßen überkompensiert, dass am Ende alles in Schutt und Asche liegt.
Hernach rätselt er dann, wie das passieren konnte. Dieses Muster ist schon sehr sehr alt, viele Hundert Jahre oder sogar noch älter? Und es ist ein mitteleuropäisches Phänomen, zumindest in dieser Ausprägung.
Aber warum ist das so, woher kommt dieses (Opfer-)Muster und noch wichtiger: Wie kommen wir da raus?
Im Mittelalter
Nehmen wir als Beispiel mal „das Mittelalter“. Sicher, es gab „das Mittelalter“ eigentlich nicht, zumindest war es nicht überall in Europa gleich. Vor allem waren die Menschen nicht überall gleich. Aber es gab durchaus Muster, die sich durch das gesamte damalige mitteleuropäische System zogen.
Grundsätzlich gab es eine kleine herrschende Klasse aus Adligen, deren Herrschaft nicht hinterfragt wurde, weil sie „Gottgegeben“ war. Und es gab viele Menschen, die diesen Adligen quasi gehört haben. Leibeigene nannte man sie.
Sie haben für die Adligen gearbeitet und durften das Maul halten. Sie waren unfrei, durften ihr Dorf meist nicht verlassen und dafür den ganzen Tag schuften. Sonntags war Kirche und mehr gab es für diese Leute nicht.
Bis sich der Adel gezofft hat, was damals eher die Regel als die Ausnahme war. In dem Fall durften die Leibeigenen auch in den Krieg ziehen. Der Adel hat ihnen gesagt, gegen wen, hat ihnen eine Waffe in die Hand gedrückt und dann wurden sie losgelassen.
Und nicht selten hat sich der gesamte Frust dann in der Schlacht entladen. Diejenigen die das Glück hatten, danach noch zu leben, sind auf ihre Scholle zurückgekehrt und haben wieder das Maul gehalten. Hinterfragt wurde allenfalls im Wirtshaus und das auch nur, wenn keiner zugehört hat. Machen konnte man ja eh nichts.
Ab und zu gab es mal Revolten, die meistens extrem blutig gelöst wurden. Danach war wieder Ruhe und alle haben sich in ihre Hütte zurückgezogen, wenn sie es denn überlebt hatten.
So lief das über viele Jahrhunderte und so lange ist das alles noch nicht her. Hinterfragt wurde nichts, denn die Kirche hat gesagt, Gott will das so. Gott zu hinterfragen war noch weniger ratsam, als seinen Herrscher zu hinterfragen. Das endete schnell tödlich und sowieso in der Hölle.
Dieses Muster zwischen „Maul halten“ und „fanatisch kämpfen“ ist bis heute weder verarbeitet, noch ist es schwächer geworden. Es wird nach wie vor nur von wenigen hinterfragt. Es wurde verdrängt, man darf das nicht zeigen, das lernen wir schon als kleine Kinder. Und so gärt es im Untergrund vor sich hin und muss sich zwangsläufig irgendwann entladen. Dann aber wieder extrem und blutig.
Das Rausarbeiten
Es gab aber auch immer Menschen, die sich da rausgearbeitet haben. Und ja, es gab auch in den finstersten Zeiten des Mittelalters Möglichkeiten durch harte Arbeit und vor allem Arbeit an sich selbst, durch sparen und investieren, durch die Benutzung des eigenen Gehirns, das Eingehen von Risiken, seine eigene Situation zu verbessern.
Auch Leibeigene konnten sich unter gewissen Umständen freikaufen. Oder sie konnten fliehen und woanders ihr Glück suchen.
Ja, das war natürlich extrem riskant. Auch das Freikaufen. Denn frei hatte im Mittelalter eine ganz andere Bedeutung. Frei warst du, solange du deine Freiheit verteidigt hast. Du musstest laufend aufmerksam sein, deine eigenen Grenzen setzen und definieren und notfalls mit deinem Leben verteidigen.
Das hat nicht jeder auf sich genommen. Da war die Leibeigenschaft der scheinbar bequemere Weg. Aber die wenigen, die den Weg wirklich gegangen sind, sind oft extrem erfolgreich geworden. Eines meiner liebsten Beispiele sind die Fugger. Die haben es in ganz wenigen Generationen vom einfachen Bauern bis zum – mit Jakob Fugger – reichsten Mann Europas gebracht. Gegen massiven Widerstand der Konkurrenz und der Herrscher.
Die ganze Mittelschicht hat sich damals herausgebildet, Kaufleute, Handwerker, Städte etc.. Es war also immer möglich und selbst in den dunkelsten Zeiten. Durch harte Arbeit, das Benutzen des eigenen Gehirns, Hartnäckigkeit und die Bereitschaft, zu investieren. Notfalls sogar das eigene Leben. Einige haben das getan, die breite Masse nicht.
Heutige Zeit
Genau diese Muster stelle ich auch heute noch fest und speziell in Deutschland. „Die Deutschen“ halten für gewöhnlich ihren Mund und sind brav. Selbst wenn du ihnen ihre Lebensgrundlage wegnimmst, bleiben sie stumm und brav. Du kannst sie überrennen, quälen, sie belügen, ihre Kinder quälen und sie fanatisch werden lassen. Ohne Gefahr zu laufen, dass all zu viel hinterfragt wird.
Das beginnt schon im Kindergarten. „Gewaltfrei“ ist mittlerweile eine Religion geworden. Ein Junge, der sich prügelt? Geht gar nicht! Katastrophe. Sofort zur Therapie! Harte Worte? Puh, mindestens Beleidigung, wenn nicht gar Diskriminierung. Ab zum Therapeuten! Wenn man sich überhaupt noch als Junge oder Mädchen definieren darf. Oder sich überhaupt definieren darf.
Wie die damaligen Leibeigenen eben, nur dass die keinen Therapeuten sondern einen Beichtvater hatten. Mund halten und arbeiten. Und es geht noch weiter, wie damals werden alle, die sich aus dem Muster herausarbeiten und für sich zu stehen beginnen, argwöhnisch beäugt und nicht selten von den eigenen Leuten bekämpft. Heutzutage gerne als „toxisch“ oder gar als „Nazi“ bezeichnet … inflationär …
Oft wurden ganze Sippen oder Dörfer kollektiv für die „Verfehlungen“ einzelner bestraft. Gerne mit der Begründung durch „höhere“ Ziele. Damals meist religiöse, heute ist man da kreativer und glaubt (sic!) an die Wissenschaft, statt an Gott. Und immer gerne zum vermeintlichen Wohle der Gesellschaft.
Die Menschen haben ein kollektives Muster entwickelt, sich selbst klein zu halten und jeden Abweichler ebenfalls wieder einzufangen, wenn er nicht aufpasst. Und die jeweiligen Herrscher nutzen das natürlich freudestrahlend aus.
Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein starker Anführer kommt und die Menschen in den Krieg ruft. Dann lassen sie alles liegen und stehen, nehmen eine Waffe in die Hand und kämpfen fanatisch gegen das was man ihnen als Feind präsentiert. Das kann praktisch jeder sein. Völlig egal.
So lange, bis der Krieg vorbei ist. Danach gehen sie auf ihre Scholle zurück und halten wieder brav den Mund. Ohne allerdings jemals dieses Muster zu hinterfragen.
Wo ist der Mittelweg, wo die Lösung?
Dieses Spiel läuft schon so lange, dass kaum einer es noch hinterfragt. Und wenn, dann sind das die Leute, die sich auch im Mittelalter schon selbst herausgearbeitet hätten. Man muss sich das mal vorstellen. Dieses Muster gab es sicher vor dem Mittelalter schon, das ist vielleicht schon mehrere Tausend Jahre alt! Das ist schon kein Ahnenthema mehr, das ist ein Menschheitsthema. Zumindest in Europa. Woanders haben sich andere Muster gebildet, aber die sollen uns jetzt nicht interessieren.
Die Masse hinterfragt das offenbar nach wie vor nicht und ist dem Muster von daher schutzlos ausgeliefert. Es scheint keinen Mittelweg zwischen „Mund halten bis zur Selbstaufgabe“ und „fanatisch kämpfen“ zu geben. Die politischen Parteien und ihre jeweiligen Unterstützer nutzen das natürlich aus. Denn was gäbe es schöneres als ein Volk, das brav tut, was es tun soll?
Den Mittelweg sehen nur wenige und die werden oft das Opfer massiver Anfeindungen beider Lager. Der Leibeigenen und der Herrscher.
Der Mittelweg wäre, das klare Definieren von individuellen Grenzen und das Halten dieser Grenzen ohne zurückzuweichen, aber auch ohne fanatisch zu kämpfen. Das „für sich selbst stehen“. Klar und stark. Auch mit Gegenwind und auch unter Inkaufnahme der Anfeindungen und der Verletzungen die sich vielleicht daraus ergeben.
Wie kommt man da hin?
Natürlich ist das möglich. Es ist nicht nur möglich, es ist notwendig, wenn wir dieses Spiel aus „Maul halten“ und „fanatisch kämpfen“ beenden und endlich frei leben wollen.
Es geht darum, diese extrem tief sitzenden Muster zu erkennen, sie uns bewusst zu machen und sie zu bearbeiten und zu lösen. Das ist ein Prozess, der viel Reflektion, Energiearbeit, Ahnenarbeit und Beschäftigung mit Glaubenssätzen bedeutet. Ein Prozess der die rein materielle Ebene des Verstandes und des Denkens verlassen muss. Ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen kann.
Ein Prozess des Erwachsenwerdens, des wieder stark Werdens, des sich selbst Erkennens. Des sich selbst Annehmens. Ein Prozess in dem weibliche und männliche Prinzipien wieder zugelassen und gelebt werden dürfen. In dem stark sein und schwach sein an die richtige Position gerückt werden. Ein Prozess, in dem man sich selbst, das eigene Wohnergehen und das der Familie wieder als grundlegendes Ziel im Leben positioniert. Wenn es sein muss, auch gegen den Widerstand Anderer.
Es bedeutet manchmal auch, sich gegen das eigene Volk, gegen die eigene (Herkunfts-)Familie zu stellen. Nicht um sie anzugreifen, sondern um zu stehen. Für das, was man ist und sein will. Stehen und stehen lassen.
Es bedeutet, den Gegenwind auszuhalten, die Versuche derer auszuhalten, die einen wieder zurückziehen wollen. Jeder der sich mal selbständig gemacht hat, kennt diese Muster. Jeder der mal für sich selbst eingestanden ist, kennt dieses Muster. Jeder der sich mal zur Wehr gesetzt hat, kennt es. Es kann bedeuten, der erste zu sein, der aufsteht. Es kann bedeuten, für eine Weile der einzige zu sein.
Aber so weit muss man gar nicht gehen. Es geht darum, dass jeder für sich selber völlig klar wird, wer er ist und warum er hier ist. Es geht darum, die Macht über die eigene Situation, das eigene Leben zu ergreifen und zu behalten. Es geht darum, zu erkennen, dass du dich nicht klein machen musst, dass du stehen darfst und dass du das Recht hast, für dich selbst einzustehen. Dass du NEIN sagen darfst. Auch gegen die Interessen Anderer, wenn es sein muss!
Es geht darum, sich über seine Lebensaufgabe klar zu werden und sie auszufüllen. Es geht darum, wieder zu fühlen, was im Aussen passiert und wie das Innen funktioniert, damit man stehenbleiben kann. Für sich selbst.
Das ist völlig unabhängig von Alter, sozialer Schicht, Glaubenssystemen, Religionen, Geschlecht, sexuellen Präferenzen oder gar politischen Ansichten. Das Ergebnis bist DU selbst, aufrecht stehend, für DICH stehend.
Ohne anzugreifen, aber ebenfalls unangreifbar für andere!
Muster erkennen ist ein gutes Stichwort. Ich stelle in Diskussionen immer wieder fest, wie sehr auf Wissenschaftliche „Beweise“ gepocht wird. Vergessen wird meiner Meinung nach dabei, dass diese doch meist einer Ideologie unterliegen. Ideologien muss man ja auch immer Gebetsmühlenartig wiederholen, damit es auch in den Köpfen hängen bleibt. Dabei ist es doch zielführender ein Muster zu erkennen und dieses auch wirklich mal zu hinterfragen. Aber der andere weg ist wohl bequemer.
BTW. Schöner Artikel
LG
Martin
Schöner Artikel! Setzt schöne „Triggerpunkte“. Aber ich bezweifel, dass es da einen schnellen „Ausweg“ gibt – denn wie du schon schreibst: Maul halten und folgen ist für viele einfacher und genetisch gesehen auch eine Anpassungsstrategie.
Ich denke es bräuchte also eine viel grundlegendere Transformation, mindestens auf biologischer Ebene, damit die Mehrzahl der Menschen keine Mitläufer mehr sind. Gegen die Genetik kommt man mit individueller Transformationsarbeit nicht an.
Daher vermute ich auch, dass die neuen Evolutionsprozesse tatsächlich auf körperlicher Ebene ansetzen!