Gerhard Zirkel

Aber die fühlen das doch auch!

Im heutigen Artikel geht es um ein Thema, das insbesondere alle „hochsensiblen“ Menschen kennen. Darunter natürlich auch alle Heiler, Schamanen und generell Menschen, die fühlen können. Wobei es noch nicht einmal typisch hellfühlig oder hellsichtig sein muss.
Gerhard Zirkel
Gerhard Zirkel
01.06.2023

Es geht darum, zu erkennen, dass eben nicht alle Anderen ebenfalls etwas fühlen oder gar sehen können und schon gar nicht das, was du siehst, fühlst oder erkennst.

Können sie nicht? Aber das müssen sie doch …

Da steckt ein großes und – wenn es unerkannt bleibt, fatales – Missverständnis drin.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Eine typische Arbeitssituation. Büro, kleines Team. Rita und ihre Kollegen und ein Teamleiter. Ein Teamleiter, der Karriere gemacht hat, weil er halt grad da war. Nicht wirklich einer, der führen will. Eher so einer, der es laufen lässt. Der nicht so genau hinschaut. Der seine Ruhe will. Läuft ja irgendwie.

Rita ist ziemlich gewissenhaft, möchte ihre Arbeit gut erledigen. Der Rest vom Team auch. Nur einen gibts, den Thomas, mit dem stimmt was nicht. Der kann gut manipulieren und das tut er auch.

Seine Aufgaben landen irgendwie immer auf wundersame Weise bei den Kollegen, während er damit beschäftigt ist, sich gut darzustellen. Nur eine Frage der Zeit, bis er Teamleiter wird. Schaut nach Aussen hin immer so aus, als ob er derjenige wäre, der das Team am Laufen hält.

Wer sein Spiel nicht mitspielt, der bekommt zu spüren, was wirkliches Mobbing bedeutet. Nicht offensichtlich, nein, der Thomas kann das hintenrum. Dass keiner merkt, dass er das ist.

Rita verzweifelt schier daran. Nicht an der Situation an sich, sondern daran, dass sie zusehen muss, dass alle ihre Kollegen sein Spiel mitspielen. Obwohl es so offensichtlich ist. Keiner wehrt sich dagegen. Weder ihre Kollegen, noch der aktuelle Teamleiter noch die Ebenen darüber scheinen sehen zu wollen, was Thomas für ein manipulatives Ar… ist.

Selbst die Kollegen, die massiv unter ihm leiden, tun nach Aussen hin so, als ob sie nicht wüssten von wem das ausgeht.

Rita ist schier am Durchdrehen. Weder Gespräch mit Thomas, noch mit dem Teamleiter, noch mit anderen Vertrauenspersonen im Betrieb bringen etwas. Niemand geht auf ihre Argumente ein, alle schauen sie nur doof an. Als würde das Problem gar nicht existieren. Die wollen nicht hinschauen, aber warum?

Rita fängt an, an sich selbst zu zweifeln. Sieht sie Gespenster? Täuscht sie sich? Wird sie senil? Wo liegt nur das Problem? Schließlich wird sie krank, zieht sich zurück. „Burnout“ heißt die Diagnose.

Ist Rita wirklich senil?

Nein. Ist sie nicht. Sie hat ganz richtig gespürt, was nicht stimmt und warum. Aber sie ist davon ausgegangen, dass alle Anderen das auch spüren können. Weil es so offensichtlich war. Für Rita.

Und genau DA liegt das Missverständnis! Die Anderen können das nämlich nicht. Sie haben das Problem nicht ignoriert, sie konnten es nicht sehen. Weil sie die Fähigkeit dazu nicht hatten. Rita eben schon. Vermutlich erkennt nicht mal Thomas, was er tut. Oder zumindest nicht, was er damit anrichtet. Er kann das nicht fühlen.

Es hat ihr nur nie einer gesagt, dass nicht jeder in der Lage ist, zu sehen, zu fühlen. Nicht jeder ist empathisch, nicht jeder erkennt Zusammenhänge. Nur wenige Menschen können das so klar wie Rita.

Das hat ihr nur nie einer gesagt!

Noch ein Beispiel:

Frank ist 12 Jahre alt und lebt mit seiner 3 Jahre älteren Schwester und der Mutter in einer Kleinstadt. Der Vater ist nicht mehr da. Vor Jahren ist er gegangen, weil er böse ist. Die Mutter sagt immer „Narzisst“, wobei Frank keine Ahnung hat was das bedeutet.

Frank ist auch einer. Sagt seine Mutter. Überhaupt scheint Frank auch böse zu sein. Das sagt seine Mutter und die Schwester auch. Jeden Tag sagen sie es zu ihm und sie lassen es ihn spüren. Er ist auch Schuld daran, dass der Vater gegangen ist. Er hätte besser mitgehen sollen, aber der Vater wollte ihn nicht.

Weder seine eigene Bösartigkeit, noch das Verhalten von Mutter und Schwester hinterfragt er. Denn offenbar ist das alles richtig so, sein Umfeld bestätigt das zumindest. Er hat ein paar Onkel und Tanten, die aber nichts Ungewöhnliches an seiner Situation sehen und auch in der Schule nehmen alle die Tatsachen als gegeben an. Es wird nicht direkt angesprochen, dass er böse ist. Aber alle scheinen das so zu sehen.

Und wenn er versucht, mit jemandem zu sprechen, wird er ignoriert. Als ob das Thema nicht da wäre. Ist es vielleicht auch gar nicht. Frank denkt nicht mehr drüber nach. Er versucht, sich klein zu machen, nicht aufzufallen.

Tief in sich drin spürt er, dass etwas nicht stimmt. Da passt was nicht zusammen. Er fühlt was anderes als seine Realität ihm zeigt. Aber dieses Gefühl hat er vergraben, versteckt. Früher hat er es mal rausgelassen und es bitter bereut. Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Er denkt lieber nicht drüber nach. Macht sich klein. Versteckt sich.

Erst mit Mitte 30, nach dem ersten großen Zusammenbruch beginnt er zu verstehen. Wer in dem Spiel böse ist und wer nicht … nach einem langen Leidensweg beginnt er zu erkennen, dass er richtig gefühlt hat. Er hat jetzt auch wieder Kontakt zu seinem Vater. Kein Narzisst. Sondern die Mutter. Das hat nur keiner erkannt. Vermutlich nichtmal die Mutter selbst. Und die Schwester erstrecht nicht.

Er erkennt, dass er damals richtig gefühlt hatte, aber dass er nicht absichtlich ignoriert wurde, sondern dass sein Umfeld nicht das spüren konnte, was er spüren konnte. Sie haben es einfach nicht erkannt, nicht gesehen. Weil sie es nicht konnten. Das war zu subtil für sie. Das hat ihm nur lange Zeit keiner gesagt! Dass die Menschen da draussen meistens nicht spüren können, was passiert. Dass sie nicht sehen können, wie die Dinge zusammenhängen, was die Folgen bestimmter Verhaltensweisen sind.

Nicht weil sie nicht wollen. Weil sie nicht können!

Das macht einen großen Unterschied. Einen ganz großen!

Was macht man jetzt mit dieser Erkenntnis?

Jetzt hast du diesen Artikel bis hierhin gelesen und vielleicht hast du zweimal innerlich ganz laut „jaaa“ geschrien. In dem Fall bist du vermutlich einer dieser Menschen, die mehr fühlen, mehr sehen und oft mehr erkennen als alle Anderen.

Und dir dämmert, warum du so oft auf Granit beißt. So oft gegen die Wand rennst. So oft wegen klarster Aussagen vor einer Herde doof glotzender Schafe stehst. Nichts gegen Schafe … die echten sind weit intelligenter als viele Menschen. Aber du verstehst, was ich sagen will?

Nur weil alle Anderen dich doof anglotzen, heißt das nicht, dass du nicht trotzdem recht hättest. Denn es ist ziemlich wahrscheinlich, dass du tatsächlich mehr siehst als sie. Und dadurch mehr erkennst und auch manchmal in die Zukunft blicken kannst. Einfach, weil du die Zusammenhänge erkennst.

Die Herde kann das nicht und muss das vielleicht auch gar nicht. Kann ja jeder selbst entscheiden, wie er lebt. Aber DU entscheidest, ob du mit solchen Menschen zusammenbleibst oder nicht.
Das ist gleichzeitig Fluch und Segen

Fluch ist es, weil du oft ganz alleine dastehst und dir selbst dann, wenn deine Vorhersagen eintreffen, nie die Anerkennung dafür kriegst. Du bist immer der, mit der schlechten Nachricht und wirst immer gehänkt! Symbolisch zumindest.

Manchmal musst du sogar mit ansehen, wie sich Menschen, Familien, ganze Länder selbst ruinieren. Du siehst die Zusammenhänge, weißt, wohin das führen wird, aber sie lachen dich aus, bekämpfen dich sogar. Du schaust den Menschen die du liebst dabei zu, wie sie sich selbst zerstören und kannst nicht das Geringste tun. Das ist hart. Das ist wie ein Fluch. Manchmal musst du dann weggehen und es akzeptieren, wie es ist. Für die anderen. Nicht für dich.

Denn ein Segen ist es, weil du dich selbst in der Welt so positionieren kannst, dass du einen Vorteil hast. Das geht natürlich nur dann, wenn dir deine eigene Fähigkeit bekannt und vertraut ist und wenn du die Sicherheit im Leben gewonnen hast, die dir bisher immer so gefehlt hat.

Und wenn du es schaffst, zeitweise alleine zu gehen, die glotzenden Schafe stehen zu lassen wo sie stehen wollen. In eine ganz andere Richtung zu gehen als der Rest der Herde. Aber dafür kommst du weiter im Leben und wenn du das konsequent lebst, findest du eine ganz neue Herde. Eine, die dir ähnlich ist, in der du verstanden und geschätzt wirst. Vielleicht wirst du sie sogar anführen.

Das musste dir nur mal einer sagen.

Problem und Lösung

Wie in vielen Fällen, kommt das Problem scheinbar von Aussen, aber die Lösung liegt in dir. Nicht immer ist sie leicht umzusetzen. Manchmal muss man erkennen, dass die Menschen die man am meisten geliebt hat, tatsächlich böse sind oder in die falsche Richtung rennen. Sich zumindest dir gegenüber böse verhalten haben oder dir und/oder sich selbst schaden.

Manchmal muss man sich von ihnen trennen, muss sich vielleicht von ganz vielen Dingen trennen, um die man kurz zuvor noch verbissen gekämpft hatte. Aber sobald du erkannt hast, dass dein Fühlen, dein Sehen, dein Erkennen richtig ist, beginnst du auch, deinen Weg zu gehen. Das geht dann gar nicht mehr anders. Und es wird ein klarer Weg sein.

Dieser Erkenntnisprozess braucht seine Zeit und niemand muss ihn alleine durchlaufen. Wichtig ist, den Weg anzunehmen und den ersten Schritt zu tun. Auch wenn der Weg noch gar nicht sichtbar ist. Er entsteht, indem du ihn gehst!

Gerhard Zirkel

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2 Kommentare zu “Aber die fühlen das doch auch!

  1. Kati September 30, 2023 um 10:00 pm Uhr

    Mmh, dass mit der neuen Herde wird so oft gesagt, aber bislang habe ich diese nicht gefunden, dafür HSP die durchaus vieles an sich ebenfalls nicht sehen können, Beziehungen nicht leben, traumatisiert sind oder heftige Probleme haben bis hin zu Depressionen und mehr. Ich frage mit was mit dieser „Herde“ gemeint ist, weil diese anzuführen ist echt schwer. Ich will nicht sagen, dass alle so sind, es ist nur so komisch, dass ich so lange nach dieser schönen neuen Herde suchen muss oder bin ich vielleicht gar kein Herdenmensch?

    1. Gerhard Zirkel Oktober 1, 2023 um 8:19 am Uhr

      Das Finden einer für dich passenden „Herde“ kann ein langer Prozess sein. Der vor allem aus Arbeit an dir selbst besteht, dazu muss man oft tief in die Ahnenlinie hinein oder ins eigene Energiesystem. Um zu erkennen, wer du wirklich bist, in deiner vollen Energie. Erst dann werden dich die Menschen erkennen, die zu dir passen. Das werden dann vielleicht nicht viele sein, aber es gibt sie.

      LG Gerhard

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